August 2015
Als mich ein Bekannter fragte, ob ich ihm einige Tage als Matrose auf seinem Hausboot dienen würde, zögerte ich nicht lange. Er
hatte die über 100 Jahre alte Barkasse im Süden Frankreichs erstanden und wollte sie nun auf dem Wasserweg nach Deutschland überführen. Freunde und Bekannte durften ihn jeweils einige Tage
begleiten, an Bord mithelfen und so kam auch ich zu der Ehre, nach Frankreich zu reisen, um drei Tage auf dem Wasser im Raum Nancy in Lothringen der Mosel entgegen zu
schippern.
Wie so oft beginnt mein Tag sehr früh am Morgen, wieder einmal muss der erste ICE des Tages herhalten, um mich westwärts zu
befördern. 4:26 Uhr, Bahnhof Dresden-Neustadt, es kann losgehen. Meine Motivation, immer den günstigsten Preis für Zugfahrten zu finden, war wieder einmal groß und erneut gelang es mir so, für
nur 21,75 € von Dresden bis nach Kehl bei Straßburg zu reisen. Allerdings musste ich dafür einen etwas ungewöhnlichen Laufweg nehmen, nämlich via Eisenach, Kassel, Frankfurt und Mainz. Letzteres
fiel dann allerdings verspätungsbedingt aus, so dass ich von der Main-Metropole direkt nach Baden-Baden reisen konnte, von wo aus es schließlich nach Straßburg
weiterging.
Die Fahrt im Ruhebereich des ICE nach Eisenach beginnt wie immer: mit lautem Geschnatter einiger unverbesserlicher Mitreisenden. Doch davon lasse ich mir die Laune freilich nicht verderben, genieße stattdessen den Sonnenaufgang hinter Leipzig, auf jenem Streckenabschnitt, der schon in wenigen Monaten nicht mehr vom Fernverkehr befahren wird. Im Dezember geht hier nämlich die Neubaustrecke Halle/Leipzig - Erfurt in Betrieb. Auch der ICE-Halt in Weimar gehört dann der Vergangenheit an.
In Eisenach verlasse ich meinen ICE, denn nur mit dem Umweg über Kassel war der günstige Sparpreis noch zu haben. Mir macht das nichts aus, kann ich doch so endlich einmal wieder nach langer Zeit die landschaftlich reizvolle Strecke über Bebra bereisen. Bevor die Schnellfahrstrecke Göttingen - Würzburg 1991 in Betrieb ging, lief der gesamte Bundesbahnverkehr zwischen Nord und Süd hier entlang. Heute liegt Bebra in der Mitte des wiedervereinigten Deutschlands und neben den blauen Nahverkehrstriebwagen der Cantus-Eisenbahngesellschaft verirren sich nur noch wenige Fernzüge hier entlang. Hoch oben über dem Tal der Fulda rauschen die Hochgeschwindigkeitszüge über die mittlerweile auch schon über 25 Jahre alten Betonbrücken der ersten Schnellfahrstrecke Deutschlands. In Kassel-Wilhelmshöhe wechsel ich von einem IC in den anderen und begebe mich wieder südwärts in Richtung Frankfurt am Main.
Im Hauptbahnhof von Frankfurt habe ich ein wenig Zeit, die ich für den Kauf meiner Anschlussfahrkarte ab Kehl nutzen möchte. Im
Reisezentrum muss ich eine Nummer ziehen und die angekündigte Wartezeit lässt die Hoffnung schnell in mir schwinden, dass ich hier noch vor Abfahrt meines nächsten Zuges bedient werde. Da drückt
mir plötzlich ein Unbekannter seine Nummer in die Hand, verschwindet im Getümmel und nur wenige Minuten später stehe ich auch schon am Schalter. Leider ist Europa im Eisenbahnverkehr noch immer
nicht so richtig zusammen gewachsen und so kann mir die Dame nur eine Fahrkarte bis Nancy verkaufen, den Rest werde ich dann später in Straßburg erwerben müssen. Zurück am Bahnsteig geht es mit
den schlechten Nachrichten weiter. Mein Zug nach Mainz hat 25 Minuten Verspätung. Flugs lass ich mir meine Zugbindung mit einem Stempel an der DB-Information aufheben und kann nun im nächsten ICE
direkt nach Baden-Baden reisen. Dort treffe ich auf einen ziemlich hässlichen Bahnhof und so bleibt mir nichts anderes übrig, als einige ein- und ausfahrende Züge zu fotografieren, bevor ich
meine Fahrt in ein Nest namens Appenweier fortsetzen kann.
Appenweier ist Umsteigebahnhof für Reisende des Regionalverkehrs, die nach Frankreich fahren möchten. Trotz vorhandener
Fahrleitung kommen zwei Walfische um die Ecke, die mich zielsicher und pünktlich in kurzer Fahrt über den Rhein nach Straßburg bringen. Es ist meine erste Fahrt
in einem Dieseltriebwagen dieser eher seltenen Baureihe und ich empfinde sie eigentlich als recht gemütlich.
Der Hauptbahnhof von Straßburg begeistert mich. Die Bahnsteighalle erhält den nostalgischen Charme vergangener Zeiten. Einige TGVs
warten auf ihre Abfahrt in Richtung Paris und ans Mittelmeer. Die Empfangshalle besteht aus einer über das aufwändige Portal des Bahnhofsgebäudes spektakulär überbauter Glasverkleidung.
Ich halte das, was ich hier sehe, für architektonisch ziemlich gelungen.
Zwei Dinge sollten Bahnreisende in Frankreich unbedingt beachten: die bei der SNCF erworbenen Fahrkarten müssen vor dem Betreten des Zuges entwertet werden. Außerdem muss man sich spätestens zwei Minuten vor der planmäßigen Abfahrt an Bord befinden, da die Mitfahrt ansonsten nicht garantiert wird. Zu meiner Freude wird für die Leistung nach Nancy ein lokbespannter Zug bereitgestellt. Die schon in die Jahre gekommenen Wagen sind aber erstaunlich gut gepflegt und dank der Polsterbänke sehr gemütlich. Die mäßige Besetzung kommt mir entgegen und die gut anderthalb Stunden vom Elsass nach Lothringen vergehen schnell und bequem. So soll es sein.
In Nancy nutze ich die Gelegenheit für einen Blick auf den Bahnhofsvorplatz. Hier begegnet mir eine für mich bis dahin unbekannte Spezies: ein Oberleitungsbus, der auf einer Schiene geführt wird. Rasch versuche ich das illustre Gefährt zu dokumentieren. Spätere Recherchen bringen einiges Licht ins Dunkel. Hier gibt es weitere Informationen zur Tramway sur pneumatiques.
Die letzte Etappe meiner Hinfahrt führt mich nun in einem recht modernen und ansprechenden Doppelstock-Triebzug ins kleine
Städtchen Charmes, welches direkt an der hier noch nicht schiffbaren Mosel und am Canal des Vosges liegt. Nur wenige Gehminuten vom Bahnhof entfernt wartet mein Bekannter mit seinem
Boot. Bei einem gekühlten Cidre stimmen wir uns auf die kommenden Tage ein.
Nach einem kleinen Einkauf im örtlichen Supermarkt startet der Schiffsmotor und es kann endlich losgehen. Über unzählige selbst zu
bedienende Schleusen geht es gemächlich und konzentriert durch eine wunderbare Landschaft, zu welcher sich ein eben solches Wetter eingestellt hat. Am Abend erreichen wir Toul, eine Kleinstadt
bei Nancy, die uns mit einer prächtigen Kathedrale überrascht. Der Liegeplatz an einer Mühle nahe der Innenstadt erweist sich als ruhig und gediegen, bei ein paar Bier und gutem Essen lassen wir
den ersten Tag ausklingen.
Mit einem Baguette unterm Arm kehre ich am Morgen standesgemäß aus der Stadt kommend aufs Boot zurück. Mittlerweile befinden wir
uns im Oberlauf der Mosel, die Schleusen sind deutlich größer, der Fluss ist sehr breit, das Wetter noch immer fantastisch. Wir kommen gut voran und schaffen es zu unserer Freude tatsächlich bis
nach Metz, wo wir am Abend in einem schicken Hafen inmitten der Altstadt festmachen.
Nach einer weiteren Nacht auf der LAC und den notwendigen Nachbereitungen begeben wir uns gemeinsam zum Bahnhof. Während
das Boot noch ein paar Tage hier bleiben darf, muss ich leider wieder zurück nach Deutschland. Mit einem Walfisch gehts via Forbach nach Saarbrücken, einer nicht gerade verlockenden Stadt.
Also schnell weiter: es wartet ein überraschend bequemer Dieseltriebwagen der Länderbahn (VLEXX). Zu seinen Vorzügen zählt eine funktionierende Klimaanlage, die Nachteile ergeben sich unter
anderem durch fehlende Steckdosen. Zum Glück verlassen wir das Saarland nach einiger Zeit und erreichen schließlich wieder Frankfurt am Main. Hier ist wegen einer Stellwerksstörung mal wieder ein
allgemeines Chaos ausgebrochen, an dem ich mich aber nicht weiter beteiligen muss, da mein ICE nach Dresden einigermaßen pünktlich abfährt. Nachdem wir in Leipzig gegen Mitternacht dann auch auf
die beiden letzten Anschlussreisenden gewartet haben, erreichen wir gegen dreiviertel eins in der Nacht und damit 15 Minuten später, als geplant den Bahnhof Dresden-Neustadt. Ab heute werde ich
wieder ohne dem sanften Schaukeln des Bootes einschlafen müssen, Fotos und Erinnerungen an die schönen Tage im Osten Frankreichs bleiben mir aber erhalten.
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Flo (Samstag, 21 November 2015 08:44)
Hallo,
in den vlexx-Triebwagen gibt es sehr wohl Steckdosen, allerdings wie im LINT häufig zu sehen nicht optimal platziert. In der 2. Klasse finden sich die Steckdosen in den vis-a-vis-Sitzbereichen unterhalb einer der beiden Sitzreihen, während in der 1. Klasse alle Sitzreihen mit Steckdosen ausgestattet sind.
Viele Grüße
Tom (Mittwoch, 25 November 2015 11:46)
Vielen Dank für die Rückmeldung und die Richtigstellung.
Beste Grüße
Tom
www.reisen-mit-der-eisenbahn.de